Bewertungsdetails

Gegenwartsliteratur 1534
Sprachlich hervorragend - Handlung undurchsichtig und langatmig
Gesamtbewertung
 
3.3
Plot / Unterhaltungswert
 
2.0
Charaktere
 
3.0
Sprache & Stil
 
4.0
Sprecher
 
4.0
Pip, die eigentlich Purity heißt, hat einen Wunsch: Sie will unbedingt ihren Vater kennen lernen. Denn schließlich könnte der ihr vielleicht beim Begleichen ihrer horrenden Schulden behilflich sein. Doch ihre depressive Mutter, die vor vielen Jahren eine neue Identität angenommen hat, schweigt sich über ihn aus. Weder verrät sie den Namen, noch sonstige Details. Eines Tages lernt Pip die Deutsche Annagret kennen, von der sie bedrängt wird, sich für ein Praktikum bei dem von Whistleblower Andreas Wolf geleiteten "Sunlight Project" zu bewerben. Da kommt Pip die Idee, dass dieser ihr doch auch bei der Recherche nach ihrem Vater behilflich sein könnte.

Andreas Wolfs Ziele sind anfangs undurchsichtig. Selten lässt er seine Maske fallen und nur Pip erhascht manchmal einen zufälligen Blick in seine von Wahn getriebene Seele. Ursprünglich 1960 in Ostberlin geboren und als Stiefsohn eines hochrangigen SED-Parteimitglieds aufgewachsen, lebt er nun als Whistleblower in Bolivien und umgibt sich mit einer Armee wunderschöner Frauen, die sich den ganzen Tag über in Schlafanzughosen am Arbeitsplatz tummeln.

Pips Charakter ist durchzogen von ihrer Beziehung zu älteren Männern. Ob es sich um ihren Vater handelt, den sie sucht oder um Andreas Wolf, zu dem sie sich sexuell hingezogen fühlt. Auch in Stephen, einen Mitbewohner, der ihn ihr so etwas wie eine Tochter sieht, verliebt sie sich. Später folgt schließlich Tom, der ebenfalls eine Vaterfigur für sie darstellt.

Die Stasi, der Mauerfall, Whistleblower, Missbrauch, Moral, Spionage, Identitätskrisen, Journalismus, Elektrakomplex, familiäre Verwicklungen und das Scheitern von Menschen und Visionen. Jonathan Franzen packt in seinen neuen Roman "Unschuld" viele Themen und man kann leicht den Überblick verlieren. Die Zusammenhänge erschließen sich lange nicht und diverse Zeitsprünge verwirren zusätzlich. Erst nach und nach entwirren sich die Fäden.

Warum das Buch den Titel "Unschuld" trägt ist fraglich. Besser wäre "Reinheit", die deutsche Übersetzung von "Purity". Beim Missbrauchsfall von Annegret orientiert sich Frantzen stark an dem Fall der Politikerin (früher SED, jetzt SPD) und linksautonomen Punkerin Angela Marquardt. Sprachlich ist Frantzen über fast jeden Zweifel erhaben. Der Handlung fehlt aber Authentiziät jenseits der Plastikfiguren. Sie wird bevölkert von unechten, gestörten und untereinander austauschbaren Menschen mit unechten Beweggründen und erzeugt damit nur mäßige Spannung.

Das ungekürzte Hörbuch wird übrigens gelesen von Sascha Rotermund und Walter Kreye. Beiden kann ich mehr Lob aussprechen als Jonathan Franzen. Aber auch sie schaffen es nicht, der Geschichte mehr Spannung zu verleihen.
SK
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