Bewertungsdetails

Liebe & Erotik 4822
Gelungene Buchüberraschung mit unglücklichem Titel
Gesamtbewertung
 
4.7
Plot / Unterhaltungswert
 
5.0
Charaktere
 
4.0
Sprache & Stil
 
5.0


So positiv überrascht wie dieses Buch hat mich schon sehr lange kein Buch mehr. Aufgrund des doch eher für mich unglücklichen Titels bin ich doch etwas vorsichtig an die Lektüre des Buches herangegangen und die ersten 50 Seiten schien das Buch auch genau meine Vorurteile zu erfüllen: Charlotte, eine sehr gutherzige und liebenswerte junge Frau, erhält nach Jahren, in denen sie quasi keinen Kontakt zu ihrer Verwandtschaft hatte, das Angebot von ihrem Onkel bei ihm und seiner Frau zu wohnen und von ihnen adoptiert zu werden. Charlotte's Mutter hatte vor Jahren einen Skandal ausgelöst, als sie den nicht standesgemäßen Vater von Charlotte heiratete und mit ihm nach Griechenland ging. Leider verstarben die Eltern von Charlotte früh und so wurde sie das Mündel ihres Onkels. Dieser hätte sie gerne schon früher zu sich geholt, dessen missgünstige Frau wusste das aber zu verhindern.

Kaum bei ihrem Onkel und der Tante angekommen, merkt Charlotte schnell, dass sie es nie schaffen wird ihre Tante für sich zu gewinnen. Das einzige Ziel, dass ihre Tante mit ihr verfolgt, ist sie so schnell und gut wie möglich zu verheiraten. Da kommt es ihr wie gerufen, dass der adelige Gaylord Terency Interesse an ihrer Nichte zu bekunden scheint und sie setzt alles daran, dass diese Verbindung zustanden kommt. Jedoch verliebt sich Charlotte zum einen ausgerechnet in den gutaussehenden, jedoch verheirateten Captain John Battingfield und zum anderen hat Terency einige dunkle Geheimnisse, die schließlich zur Gefahr für Charlotte werden.

Zu Beginn habe ich mich mit dem Buch doch etwas schwerer getan. Die vielen gesteltzen Diskussionen, die geführt werden, fand ich teilweise doch sehr anstrengend und ermüdend. Hinzu kommt, dass die Autorin am Anfang mit sehr vielen Fußnoten arbeitet und viele Namen und Anspielungen in Form von Fußnoten erläutert werden. Das ist einerseits sehr informativ, andererseits haben mich diese Fußnoten immer wieder aus dem Lesefluss gerissen. Im Laufe des Buches verschwinden diese Fußnoten fast ganz, was ich als sehr angenehm empfunden habe.

Charlotte ist eine sehr sympathische Hauptfigur, die ich sofort ins Herz geschlossen hatte und die mir auch gleich sehr leid getan hat. Besonders gut gefallen hat mir jedoch, dass sie keine schwache Persönlichkeit ist, sondern sich sehr gut zu behaupten weiß und zwar versucht dem Frauenbild der damaligen Zeit zu entsprechen, jedoch gleichzeitig ihren eigenen Kopf besitzt. Gut gelöst fand ich die Erklärung, warum Charlotte so wissbegierig ist und wieso sie nicht einfach den Normen entspricht. Gut gelungen ist auch die Darstellung, dass sie mit ihrer Art und Weise einige Leute doch vor den Kopf stößt, andere sie aber genau deswegen mögen. Wie der überaus charmante John Battingfield, in den auch ich mich sofort verliebt hätte!

Schön ist auch bei allen anderen Figuren dargestellt, wie sie durch die Moral- und Wertevorstellungen ihrer Zeit geprägt sind. Gerade bestimmte Formen des Auftretens, des Benehmens etc. werden detailliert beschrieben und charakterisieren gut die damalige Zeit.

Eine große Wende leitet das Buch ein mit dem Auftritt von Terency. Der wahre Bösewicht der Geschichte, aber darin so gut dargestellt, dass sogar ich etwas entsetzt war, was da alles zu Tage kommt. Er bedeutet nichts Gutes für Charlotte und meine Vorurteile, dass das Buch es nicht zulässt, dass etwas Schlimmes passiert, haben sich schnell aufgelöst. Die Autorin ist in dieser Hinsicht nicht zimperlich.

Was mir jedoch besonders gut gefallen hat, sind die vielen gesellschaftlichen Aspekte, die die Autorin vortrefflich herausgearbeitet hat. Zum einen wird die schlechte Stellung der Frau, ihre wenigen Rechte und kaum Perspektiven sehr gut dargestellt. Dabei erhebt die Autorin nicht den Zeigefinger und will den Leser belehren, sondern stellt einfach nur Tatsachen dar. Faszinierend dabei fand ich, dass das Buch, obwohl wir heute zum Glück in Europa schon sehr viel weiter sind, trotzdem zum Nachdenken anregt und mir vor Augen geführt hat, dass es wichtig ist für seinen Standpunkt und seine Rechte einzustehen.

Weiterhin wird die Doppelmoral der gehobenen Schicht sehr gut dargestellt. Während die einfache Bevölkerung für kleinste Verbrechen drakonisch bestraft wird, kann ein hochgestellter Adeliger tun und lassen was er will, ohne wirklich eine Strafe befürchten zu müssen.

Sehr interessant fand ich auch die eingestreuten Hinweise auf bekannte Forscher, Erfinder und Wissenschaftler, die zu der Zeit auch sehr aktiv waren und gekonnt in die Geschichte mit eingebaut werden.

Meinen absoluten Höhepunkt stellte dann noch ein sehr ausführliches Nachwort dar, in dem die Hintergründe zur Politik, Wissenschaft, Gesellschaft und Stellung der Frau zu der Zeit nochmal ausführlich erläutert werden und erklärt wird, was Realität und was Fiktion in dem Buch ist.

Das Ende insgesamt ist sehr positiv und hat mich mit einem sehr guten Gefühl zurück gelassen. Gut hat mir dabei auch gefallen, dass es keine langen Verwirrspielen oder Hin- und Hergerangel gibt, sondern die Geschichte einfach direkt und ohne viele Komplikationen weiter geführt wird. Chancen werden ergriffen wenn sie da sind und Entscheidungen einmal getroffen und dann aber auch stringent befolgt.

Alles in allem ein sehr tolles Buch, dessen Titel sehr unglücklich gewählt wurde, dass aber dafür mit einigen gelungenen Überraschungen aufwartet.
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