"Nach Vollendung des Erasmus-Buches, dieser verschleierten Selbstdarstellung, war es meine Absicht, einen lange geplanten Roman zu schreiben. Ich hatte genug von Biografien. Aber da geschah es mir gleich am dritten Tag, dass ich im Britischen Museum, angezogen von meiner alten Leidenschaft für Autografen, die im öffentlichen Raum ausgestellten Stücke musterte. Darunter war der handschriftliche Bericht über die Hinrichtung Maria Stuarts. Unwillkürlich fragte ich mich: Wie war das eigentlich mit Maria Stuart? War sie wirklich am Mord ihres zweiten Gatten beteiligt, war sie es nicht? Da ich abends nichts zu lesen hatte, kaufte ich mir ein Buch über sie. Es war ein Hymnus, der sie wie eine Heilige verteidigte, ein Buch, flach und töricht. In meiner unheilbaren Neugier schaffte ich mir am nächsten Tag ein anderes an, das ungefähr genau das Gegenteil behauptete. Nun begann mich der Fall zu interessieren. Ich fragte nach einem wirklich verläßlichen Buch. Niemand konnte mir eines nennen, und so suchend und mich erkundigend geriet ich unwillkürlich hinein ins Vergleichen und hatte, ohne es recht zu wissen, ein Buch über Maria Stuart begonnen..."
(Stefan Zweig in "Die Welt von Gestern")