Bewertungsdetails

Gegenwartsliteratur 5019
Zwei Schwestern wie Feuer und Wasser
Gesamtbewertung
 
3.7
Plot / Unterhaltungswert
 
4.0
Charaktere
 
4.0
Sprache & Stil
 
3.0
Daphne und Mildred sind zwei Schwestern wie Feuer und Wasser - hübsch, still und etwas kränklich die eine, zupackend, tatkräftig und nicht gerade eine Schönheit die andere. Für ihre Schwester würde Mildred alles tun, und sie ist es, an die sie denkt, wenn sie in den verrufensten Straßen Londons jede Gelegenheit nutzt, zu ein paar Pennys zu kommen. Ihr großes Ziel ist es, aus den Elendsvierteln der Großstadt auszubrechen und ein neues Leben zu beginnen, auch und besonders Daphne zuliebe, deren zarte Konstitution den Seuchen und der schlechten Ernährung nicht viel entgegenzusetzen hat und die zu verlieren Mildreds schlimmster Alptraum wäre.

Als sie endlich den Absprung schaffen, endet ihre Reise, die sie eigentlich nach Australien führen sollte, in einem aufstrebenden Badeörtchen in der Nähe von Portsmouth, und zunächst scheint es, als seien sie vom Regen in die Traufe gekommen. Doch allmählich, dank Mildreds Einsatz und unermüdlicher Arbeit sowie Hilfe von unverhoffter Stelle, tun sich Chancen auf, von denen Mildred nie zu träumen gewagt hätte - aber auch Rückschläge und großer Kummer, denn ihr Erfolg hat einen hohen Preis.

"Die Mondrose" ist ein opulenter Schmöker aus der viktorianischen Zeit, eine historische Seifenoper im allerbesten Sinne: unterhaltsam, reich an schillernden Gestalten, Dramatik, Liebe, Hass, Tod, Gefahr und fiesen Intrigen, eingebettet in einen detailverliebt ausgemalten historischen Hintergrund einer Ära rasend schnellen technischen Fortschritts, neuer medizinischer Erkenntnisse, politischer Unruhe (Arbeiterbewegung und später auch die Anfänge der Kämpfe für das Frauenwahlrecht) und nie dagewesener Aufstiegsmöglichkeiten für Menschen, die von ganz unten kommen. Den Gegenpol dazu bildet die alteingesessene Gesellschaft, die über Neureiche und Emporkömmlinge das versnobte Näschen rümpft und lieber unter sich bleiben würde.

Mildred ist dabei keine allzu sympathische Hauptdarstellerin, es fällt viel leichter, Daphne zu mögen oder auch die Männer, die in ihrem Leben die wichtigste Rolle spielen. Aber sie funktioniert dennoch prächtig als harte, unsentimentale und irgendwann auch verbitterte Zentralfigur der Handlung, die Dreh- und Angelpunkt für alles Weitere ist.

Anna Helmins oft etwas altmodisch anmutende Sprache passt perfekt zu dieser ausufernden Geschichte zwischen Grandhotels, Krankenhäusern und den übelsten Armenvierteln, die manchmal fast ein wenig an Dickens' Universum denken lässt. Einige (nicht alle!) Figuren sind dabei ein bisschen arg schwarzweiß gezeichnet, und Handlungsvolten, die schließlich der dritten beschriebenen Generation widerfahren, sind in weiten Teilen verzichtbare Neuaufgüsse dessen, was zuvor schon geschah, und dann doch mit einem Zuviel an Zufällen gesegnet, was leider am Ende doch zu leichtem Punktabzug führt. Vielleicht fehlte dann, kurz vor dem 1. Weltkrieg, auch einfach der Zauber des Zeitkolorits.

Vor allem in der starken ersten Hälfte aber trotzdem ein leichtes, mitreißendes und gut recherchiertes Lesevergnügen, dessen Seiten sich fast von selbst umblättern.
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