Bewertungsdetails

Gegenwartsliteratur 1556
Ein Jahreshighlight
Gesamtbewertung
 
5.0
Plot / Unterhaltungswert
 
5.0
Charaktere
 
5.0
Sprache & Stil
 
5.0
In den letzten Wochen des Zweiten Weltkrieges wird Hannahs Heimatstadt Hamburg schwer zerbombt. Sie verliert dabei ihre gesamte Familie und das Dach über dem Kopf. Mit Tausenden von Flüchtlingen landet sie auf einem Gut in Schleswig-Holstein. Die Verletzungen des Körpers und der Seele nagen schwer an den Menschen, die hier auf engstem Raum Hunger und Kälte erdulden und verzweifelt ums Überleben und einen Neuanfang kämpfen. Bei Hannah werden drei junge Soldaten frisch von der Ostfront einquartiert. Auch sie leiden unter schweren Kriegstraumata, einer unter ihnen, der rothaarige Fuchs, hat sogar das Sprechen verlernt. Nach und nach akzeptieren die vier die Zweckgemeinschaft und fangen an, gemeinsam nach Nahrung und Holz zu suchen und durch zögerliche Nähe und Freundschaft zur Ruhe zu kommen. Dabei ist es vor allem der stumme und scheue Fuchs, für den Hannah Gefühle entwickelt. Nur zu gerne würde sie erfahren, was ihm passiert ist, denn sie glaubt, ihm helfen zu können, aus seiner Depression herauszufinden.

Wer den Klappentext von Daniela Ohms neuem Roman „Wie Treibholz im Sturm“ gelesen hat, der ahnt, dass es sich hier nicht um eine einfache leichte Liebesgeschichte handelt. Dieses Buch erzählt mit eindringlichen und ehrlichen Worten vielmehr von den Menschen, die den Krieg überlebt haben. Von denen, die ihre Heimat verloren und ihre Liebsten sterben gesehen haben , aber auch von den Soldaten, die der Krieg zu grauenhaften Taten gezwungen hat, weil sie Befehlen gefolgt sind aber auch, weil sie nichts weiter als einfach überleben wollten. Alle Darsteller der Geschichte haben mehr oder weniger schwere Traumata zu verarbeiten. Auch die Frauen, die daheim geblieben sind, mussten Schlimmes erleben. Die immense Zahl der Flüchtlinge stellte dabei die Bevölkerung auf dem Land vor große logistische und versorgungstechnische Probleme. Und die seelischen Wunden wurden nicht behandelt, sondern jeder musste selbst versuchen damit umzugehen. Wenn ein ganzes Volk einen Krieg überlebt hat, gibt es niemanden mehr, der unverletzt geblieben ist.

Das Buch schildert nicht nur die Situation nach Kriegsende sondern erzählt auch in Rückblenden, was die Protagonisten, vor allem Hannah und der Fuchs, im Krieg erlebt haben. Vor allem diese Abschnitte sind erschütternd und wühlen den Leser auf. Die Geschichte verfolgt einen auch nachdem man den Roman zur Seite gelegt hat. Man spürt, dass es genau solche Schicksale zu Tausenden damals gegeben hat – und sie heute noch nach jedem Krieg überall auf der Welt gibt. Die Verzweiflung und die Schuldgefühle aber auch das Sehnen der Flüchtlinge nach einer neuen Zukunft und nach Liebe und Vergebung sind übermächtig und die Autorin findet dafür eine wahrhaftige Sprache mit der sie auch unsägliche Gräuel und tiefsten Schmerz einfühlsam beschreibt.

Für mich war diese Geschichte ein großes Jahreshighlight. „Wie Treibholz im Sturm“ könnte nicht aktueller sein, obwohl die Geschehnisse doch schon über 60 Jahre zurückliegen. Es gehört zu den Büchern, an denen ein Leser schwer zu kauen hat aber die geschrieben werden müssen und die unbedingt gelesen werden sollten. Unterhaltung muss nicht immer einfach und leicht sein, um den Leser zu begeistern. Und am Ende findet Daniela Ohms dann Worte der Zuversicht und für einen Teil ihrer Heldinnen und Helden ein neues Glück und auch einen Weg, um hoffnungsvoll in die Zukunft zu schauen und die verlorenen Menschen lebendig im Herzen zu behalten.
CE
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