Bewertungsdetails

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(Aktualisiert: 19 April 2017)
Gesamtbewertung
 
3.3
Plot / Unterhaltungswert
 
4.0
Charaktere
 
3.0
Sprache & Stil
 
3.0
Justine ist einundzwanzig, lebt noch bei ihren Großeltern, tanzt am Wochenende gerne im nächstgelegenen Club ab und arbeitet sonst im Altenheim eines kleinen französischen Städtchens namens Milly. Der schönste Bestandteil ihres Jobs ist für sie das Zuhören, wenn die alten Herrschaften aus ihrem Leben erzählen. Geschichten, die ihr besonders gut gefallen, schreibt sie sogar auf.

So wie die Geschichte von Hélène, die jetzt mit über 90 im Geiste fast die ganze Zeit mit ihrem geliebten Lucien an einem sonnigen Strand liegt. Hélène, die als junge Schneiderin Lucien kennenlernte, der in ständiger Furcht lebte, wie sein Vater und sein Großvater vor ihm irgendwann zu erblinden, und schließlich mit ihm die Dorfkneipe übernahm, wo sich die halbe Stadt gerne auf ein Gläschen traf. Dieses beschauliche Leben findet ein jähes Ende, als der 2. Weltkrieg mit schwerwiegenden Folgen über Milly hereinbrach und auch für Hélène und Lucien plötzlich nichts mehr war wie zuvor.

Während Justine aus vielen kleinen Puzzleteilchen, die sie Hélène entlocken konnte, ein trotz der provinziellen Kulisse ziemlich außergewöhnliches Lebensbild zusammensetzt, geschieht in ihrem eigenen Leben das eine oder andere, das sie dazu bringt, sich mit ihrer eigenen Familiengeschichte auseinanderzusetzen. Ihre Eltern hat sie früh bei einem Autounfall verloren und ist gemeinsam mit ihrem Cousin, dessen Eltern bei demselben Unglück starben, bei den Großeltern in eher einfachen Verhältnissen aufgewachsen. Die Umstände des Unfalls hat sie noch nie groß hinterfragt, doch nun ist ihre Neugier geweckt, und sie beginnt, Nachforschungen anzustellen, mit überraschenden und teils auch erschreckendem Ergebnis.

Valérie Perrins Stil ist wie der vieler moderner französischer Autor(inn)en ziemlich geradlinig, mit knappen Beschreibungen, kurzen Sätzen und schnörkellosen Dialogen, was jedoch ein gewisses surreales Element nicht ausschließt, das immer wieder zwischendurch anklingt wie etwa bei der Möwe, die Hélène anscheinend zeitlebens überallhin begleitet.

Hélènes und Luciens Geschichte hat berührende Momente, ist spannend und in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich, mir fehlten jedoch über weite Strecken ein bisschen die ganz großen Gefühle zwischen den beiden. Erst spät nimmt man ihnen die große Liebe wirklich ab. Die Darstellung der Geschehnisse im Krieg bleibt auch eher lapidar und geht nicht sonderlich in die Tiefe. Auch da hätten die Gefühlswelten deutlicher herausgearbeitet werden können. Gut gelungen hingegen ist die Beschreibung der Kneipe und der Stammgäste, hier vermittelt die Autorin viel Stimmung und Farbe.

Überraschenderweise sind es die familiären Verwicklungen bei Justine, die letztendlich für die meiste Spannung sorgen. Da tun sich Abgründe auf, mit denen nicht zu rechnen war, und es entspinnt sich förmlich ein kleiner, feiner Familienkrimi.

Die kriminalistischen Elemente, die rund um einen mysteriösen Anrufer im Altenheim eingebaut wurden, überzeugen hingegen nicht und finden eine ziemlich konstruierte Auflösung. Ebenso wenig glaubwürdig ist, dass Justine nach x Treffen den Namen des Mannes immer noch nicht weiß, mit dem sie seit einigen Wochen schläft. Vielleicht ist es auch eines der Bücher, bei denen man nicht jeden Aspekt auf die Realitäts-Goldwaage legen sollte.
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