Tag für Tag fährt Isserley, eine junge Frau mit Brille und enormen Brüsten, in ihrem Toyota Corolla durch das schottische Hochland, stets auf der Suche nach Anhaltern. Männer müssen es sein, am besten gut gebaute Exemplare. Die meisten lassen sich nicht lange bitten und steigen gern zu Isserley in den Wagen. Sie können nicht ahnen, dass sie nie wieder in ihr altes Leben zurückkehren werden. Was wie ein Thriller beginnt, entwickelt sich zu einer Geschichte voller überraschender Wendungen. Nur so viel sei verraten: Isserley ist keineswegs auf Sex aus, auch wenn ihre Motive durchaus mit menschlichem Fleisch zu tun haben.
Autoren-Bewertungen
2 Bewertungen
Gesamtbewertung
4.0
Plot / Unterhaltungswert
4.0
Charaktere
4.0
Sprache & Stil
4.0
Diese Rezension fällt mir wirklich schwer, entwickelt Michel Faber seine Geschichte doch von Seite zu Seite und Kapitel zu Kapitel, so dass es schwierig ist, den Inhalt zu beschreiben, ohne sein Konzept zu zerstören. Und ein Buch jemandem schmackhaft machen - und empfehlen möchte ich dieses Buch schon - ohne etwas über den Inhalt zu verraten, ist ziemlich schwierig.
Schottland, irgendein Winter in der Gegenwart: Eine junge Frau, Isserley, fährt mit ihrem Auto durch die Gegend und sammelt Anhalter auf. Männlich müssen sie sein und von kräftiger Statur und ganz wichtig, niemand darf sie vermissen, denn die Anhalter, die diese Kriterien erfüllen, landen nicht an ihrem Ziel, sondern verschwinden. Warum, und wer bzw. vielleicht eher was diese junge „Frau“ wirklich ist, dazu lässt der Autor mal hier ein Informationsbröcken fallen, mal dort. Ungefähr in der Mitte hat man eine ganz gute Vorstellung davon und kann sich, statt wilde Vermutungen zu ersinnen, darauf einlassen, die Welt zumindest ein wenig aus Isserley Perspektive zu betrachten.
Dieser Blick auf unsere „normale“ und Isserleys Welt aus ihrem bzw. unserem eigenen Blickwinkel und welche Dinge nur aus einer der Perspektiven natürlich und selbstverständlich wirken, machen das Interessante an Fabers Buch aus. Es gelingt ihm die Grenzen der Wahrnehmung zu verschieben und alles neu darzustellen. Isserley ist dabei das Zentrum, nicht nur wird die Geschichte aus ihrer Perspektive geschildert, sie ist auch innerhalb dieser Geschichte die Person, um die sich alles dreht und die das Geschehen erst möglich macht. Dabei ist sie selbst in einer Tretmühle gefangen und leider nicht in der Lage die eingefahrenen Gedankenwege zu verlassen um einen Ausweg zu suchen. Nicht dass aus der Perspektive des Lesers wirklich ein Ausweg möglich wäre, aber Isserley nimmt nicht einmal die Sackgassen wahr.
"Die Weltenwanderin" ist ein starkes Buch, das einem die Einschränkungen, denen man unterliegt, bewusst macht und so dazu animiert über den eigenen Horizont hinaus zu sehen. Auf dem hinteren Cover steht als Werbezitat: "Die 'Farm der Tiere' für das neue Jahrtausend", und auch wenn "Die Weltenwanderin" nicht so starke Gefühle weckt wie Orwells Buch, werden auch hier die Variablen, die das Menschsein ausmachen, neu besetzt.
Die Hauptfigur ist Isserley, eine junge Frau, die Tag für Tag mit dem Auto quer durch Schottland fährt, auf der Suche nach muskulösen, kräftigen Anhaltern. Frauen und mickrige oder übergewichtige Exemplare lässt sie links liegen.
Ist es eine sexuelle Obsession? Ist sie eine Fetischistin? Gar eine Mörderin? Was hat es mit den Operationen auf sich, die sie hinter sich zu haben scheint, woher stammen ihre Narben?
Was sich zunächst wie ein harmloser Thrilleranfang, als Ruhe vor dem Sturm liest, entwickelt sich in eine anfangs gänzlich unerwartete Richtung, wird zu einer Art Dystopie über eine Spezies von Übermenschen, die unterirdisch leben und die Menschen, wie wir sie kennen, nur als minderbemittelte Tiere betrachten und sie sich mitleidlos zunutze machen.
Michel Faber hat einen ganz eigenen Schreibstil, direkt, drastisch, bisweilen auch ziemlich eklig. Er streut Phantasiewörter ein, mit denen ich zunächst überhaupt nichts anfangen konnte, die mich sogar im so realistisch scheinenden Kontext geärgert haben, bis später klar wurde, was ein "Wotzel" oder ein "Icpathua" darstellen soll.
Fast unerträglich langsam enthüllt sich das Bild dieser fremdartigen Welt, in der das Buch spielt. Die Geschichte ist nichts für schwache Nerven, teilweise musste ich mich schon zwingen, am Ball zu bleiben, doch der Roman bietet auch viel Stoff zum Nachdenken, der sich auf Erscheinungen unserer realen Welt übertragen lässt.