Arno Geiger: Unter der Drachenwand

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Arno Geiger: Unter der Drachenwand
Verlag
ET (D)
2018
Ausgabe
Gebundene Ausgabe
ISBN-13
9783446258129

Informationen zum Buch

Seiten
480

Sonstiges

Originalsprache
deutsch
Erster Satz
Im Himmel, ganz oben, konnte ich einige ziehende Wolken erkennen, und da begriff ich, ich hatte überlebt.

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Veit Kolbe verbringt ein paar Monate am Mondsee, unter der Drachenwand, und trifft hier zwei junge Frauen. Doch Veit ist Soldat auf Urlaub, in Russland verwundet. Was Margot und Margarete mit ihm teilen, ist seine Hoffnung, dass irgendwann wieder das Leben beginnt. Es ist 1944, der Weltkrieg verloren, doch wie lang dauert er noch? Arno Geiger erzählt von Veits Alpträumen, vom "Brasilianer", der von der Rückkehr nach Rio de Janeiro träumt, von der seltsamen Normalität in diesem Dorf in Österreich – und von der Liebe. Ein herausragender Roman über den einzelnen Menschen und die Macht der Geschichte, über das Persönlichste und den Krieg, über die Toten und die Überlebenden.

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Leben im Schatten des Krieges
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Der Soldat Veit Kolbe, der 1943 an der Ostfront schwer verletzt wurde, reist Anfang 1944 nach Mondsee, wo er sich von seinen Verletzungen erholen soll. Der Hauptteil des Buches umfasst seine Erlebnisse und Gedanken, aneinandergereiht in einer Art Tagebuch. Veit erzählt umgangssprachlich und sprunghaft. Es gibt innerhalb der Absätze Schrägstriche, die wie ein "kleiner Absatz" oder eine Art Gedankenstrich fungieren. Die vielen Details ergeben nach und nach ein Gesamtbild. Dieser Stil ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, man muss sich einlesen. Aber dann durchlebt man die Zeit sehr authentisch und unmittelbar in der Nähe der Beteiligten: neben Veit Kolbe sind dies die junge "Darmstädterin" Margot und ihr Baby, eine Gruppe evakuierter Schulmädchen mit Lehrerin, die boshafte Vermieterin Veits, ihr frei denkender Bruder und ihr linientreuer Ehemann sowie weitere Einwohner Mondsees. So ist der Zweite Weltkrieg, obwohl kaum Kampfhandlungen beschrieben werden, im Buch allgegenwärtig, indem seine Aspekte im Hinterland beleuchtet werden: Versorgungsengpässe, Denunziantentum, Bombenangriffe, Einberufungen.

Veit leidet an einem posttraumatischen Belastungssyndrom, er hat Flashbacks, und empfindet zunehmend das lähmende Bewusstsein für die Sinnlosigkeit des Krieges, der nicht nur ihm seine Jugendjahre stiehlt, sondern Leben und Glück aller Kriegsbetroffenen zerstört. Veit möchte einfach nur ein ganz normales, friedliches und glückliches Leben leben - doch 1944 war das schwierig. Wie die Drachenwand über dem Dorf ragt die Drohung der Wiedereinberufung an die Front über Veit auf. Er entzieht sich der Front so lange wie möglich, genießt das Leben so gut er kann und hofft auf eine bessere Zukunft mit Margot, nach dem Kriegsende.

Zwischen Veits Aufzeichnungen sind Kapitel in Briefform eingefügt, allerdings ohne Datum, Anrede und Unterschrift. Verschiedene Briefschreiber erzählen aus ihrem Alltagsleben. Jede Erzählperson hat ihren eigenen Stil. Wer an wen schreibt, schließt man aus den Aufzeichnungen des Veit Kolbe. Da gibt es die Briefe von Margots Mutter aus Darmstadt, aber auch die Einblicke in Leben und Gedanken einer jüdischen Familie, die es versäumte, rechtzeitig aus Wien zu fliehen, sind eindrucksvoll und interessant. Man erfährt unmittelbar die Befindlichkeiten, Gedanken und Gefühle der Briefschreiber. Dass hier simple und nüchterne Fakten aus dem Alltagsleben direkt neben die Berichte von Katastrophen wie der Bombardierung Darmstadts im September 1944 mit Tausenden Toten gestellt werden, lässt diese Kapitel dem Leser sehr nahe rücken und gibt ihnen eine hohe Authentizität.
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Für mich ein Meisterwerk!
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Mondsee im Salzkammergut, 1944. Veit Kolbe wurde in Russland derart schwer verwundet, dass er zuerst auf Genesungsurlaub bei seiner Familie, später dann bei einem Onkel in Mondsee ist. In der dortigen Unterkunft lernt er zwei junge Frauen kennen: Margot und Margarete. Die eine ist mit Baby bei der gleichen Vermieterin untergekommen, die andere, eine Lehrerin, hat mit einer Gruppe Mädchen aus Wien Zuflucht in der kleinen oberösterreichischen Gemeinde gesucht.

Veit hat in zweierlei Hinsicht sehr mit sich zu kämpfen: nicht nur, dass die Genesung eher schleppend vorangeht, nein, seine Kriegserlebnisse bringen ihn immer wieder um einen erholsamen Schlaf. Hinzu kommt, dass nicht wenige in Mondsee denken, dass er längst zurück an die Front gehört, schließlich braucht es für den Endsieg jeden Soldaten.

Zum Glück schafft Veit es dennoch, sich so etwas wie ein Rückzugsort zu erschaffen - einen Ort, in dem sich sogar der frühe Tod Hildes, seiner geliebten Schwester, besser ertragen lässt. Doch zwischen glücklichen und hoffnungsfrohen Momenten steht immer wieder die drängende Frage, ob er erneut an die Ostfront muss. Veit schwankt zwischen kleinem Glück und Hoffnung auf der einen, Trauer, Albträumen und Furcht auf der anderen Seite...

Mit "Es geht uns gut", den Roman, für den Arno Geiger den Deutschen Buchpreis erhalten hat, bin ich nicht klargekommen, aber der vorliegende Roman hat mich alleine schon thematisch sehr interessiert. Zum Glück! Nicht auszudenken, was ich ansonsten verpasst hätte! Mit "Unter der Drachenwand" hat der österreichische Autor einen großartigen Roman vorgelegt, der eindrucksvoll in die Gedanken und Gefühlswelt der Protagonisten blicken lässt. Der größte Teil wird von Veit Kolbe dominiert, der begriffen hat, dass dieser mörderische Krieg längst verloren ist. Während die Alliierten auf dem Vormarsch sind, analysiert der traumatisierte Wehrmachtssoldat, der offensichtlich unter einer PTBS leidet, die Gesellschaft, die irgendwie zwischen Untergang und propagandistischem Durchhaltewillen verharrt. Arno Geiger hat für seinen Roman zahlreiche Feldpostbriefe gelesen und indirekt verwendet, so dass hier ein extrem realistisches Bild entsteht - sei es durch Veit und seine Überlegungen und Ängste oder beispielsweise auch die Mutter von Margot, die in Darmstadt - einer Stadt, die seit 1943 fast täglich bombardiert wurde - geblieben ist und ihrer Tochter in Briefen von ihrem täglichen Leben berichtet. Es geht dabei selten um direkte Kampfhandlungen, sondern viel mehr um die Dinge, die den Alltag der Menschen bestimmen - Arno Geiger beweist hier derart viel Fingerspitzengefühl und Empathie, dass ich manchmal fast schon baff war.

"Unter dem Drachenmond" zeigt, was ein Roman, dem eine solch brillante Recherche mit Hilfe von Feldpostbriefen und Tagebüchern und deren fiktive Weiterverarbeitung zu Grunde liegt, zu leisten vermag. Auch wenn der Stil anfänglich gewöhnungsbedürftig ist, belohnt einen die Lektüre auf jeden Fall! Die Atmosphäre ist einfach grandios eingefangen und in meinen Augen so authentisch wie es für einen Roman eines Schriftstellers des Jahrgangs 1968 nur irgend möglich ist. Ganz ohne Zeigefinger oder gar Wink mit dem Zaunpfahl kommt "Unter dem Drachenmond" aus und seine Botschaft an.
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Warten auf das Kriegsende
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Veit Kolbe wurde kurz vor Weihnachten 1943 in Russland schwer verwundet und nun hält er sich am Mondsee unter der Drachenwand auf, um sich zu erholen. Er ist erschöpft und ausgelaugt und hofft, dass er nicht mehr zurück an die Front muss. In seinem Quartier ist auch die Darmstädterin Margot, die mit ihrem Kind hier gelandet ist. Mit der Kinderlandverschickung ist die Lehrerin Margarete und über dreißig Mädchen aus Wien in diesen Ort gekommen. Dann ist da auch noch der Gärtner, der davon träumt, nach Brasilien zurückzugehen. Veit wird ein Jahr hier verbringen und der Leser lernt diese Menschen kennen, die hoffnungslos sind und einfach nur überleben wollen. Aber da ist auch Trude Dohm, die Zimmerwirtin, die immer noch ihre Durchhalteparolen von sich gibt.
Die ganze Zeit spürt man die Hoffnung, die die Menschen haben auf eine bessere Zeit nach dem Kriegsende. Aber es ist auch eine unterschwellige Bedrohung spürbar. Es ist ein melancholisches Buch,
Veit hat so viel mitgemacht, auch wenn er nicht in der vordersten Linie dabei war, dass er nicht mehr an die Wehrmacht und nicht an den Sieg glaubt. Er will nicht mehr an die Front und versucht mit allen Mitteln, seine Erholungsphase zu verlängern. Dabei helfen im Margot und die „Panzerschokolade“. Doch für Veit ist der Krieg noch nicht zu Ende, denn es kommt ein neuer Einberufungsbefehl.
Arno Geiger bringt unter der Drachenwand die unterschiedlichsten Menschen zusammen und wir dürfen ihre Gedanken, ihre Sehnsüchte und Hoffnungen kennenlernen.
Es ist keine leichte Lektüre und mehr als einmal musste ich schlucken aufgrund des Pragmatismus, mit dem die Menschen versuchten, in diesen Ausnahmezeiten zu überleben.
Ein packender und sehr eindringlicher Roman, der noch lange nachhallt.
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1944 war ein schlimmes Jahr
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Für den jungen Soldaten Veit Kolbe ergibt sich im letzten Kriegsjahr eine Zwangspause: nach einer Verletzung wird er auf unbestimmte Zeit in den Krankenstand versetzt und auf Erholungsurlaub nach Wien zu seinen Eltern geschickt, wo er es bald jedoch nicht mehr aushält. Er verzieht sich ins Salzburger Land, an den idyllischen Mondsee - und damit unter die Drachenwand, den örtlichen Hausberg, wo er auf andere Gestrandete wie die junge Mutter Margot aus Darmstadt oder auch eine aus Wien verschickte Schulklasse mit 13jährigen Schülerinnen trifft. Dazu kommen die Ansässigen, teilweise durchaus stramme Nazis, dem Regime noch treu ergeben.

Frei nach John Fante: 1944 war (auch) ein schlimmes Jahr. Ein absolut grauenvolles sogar, eines mit wenig Hoffnung. Überall. Auch in Mondsee. Doch Arno Geiger zeigt vor allem durch seinen Protagonisten Veit Kolbe, dass es weitergeht Für ihn persönlich vor allem dadurch, dass ihm völlig unerwartet und zunächst zögerlich in Gestalt von Margot die Liebe begegnet.

Obwohl es eine ausweglose Situation zu sein scheint, schmieden Veit und Margot - und nicht nur sie - Pläne für die Zukunft. Konkrete, so wie die Absprache möglicher Treffpunkte für die Zeit "danach", aber auch solche genereller Art, nämlich für ein gemeinsames Familienleben. Ein Familienleben in friedlicher Zeit, auch wenn der Begriff "Frieden" hier gar nicht genutzt wird. Dazu ist der Krieg auch in Mondsee zu präsent - ständig überfliegen Kriegsflieger, also Luftwaffen auf dem Weg an die letzten Schauplätze des Krieges, den Ort, die ersten Vertriebenen kommen an, junge Mädchen befinden sich in der Verschickung aus ihrer Heimatstadt Wien.

Veit beginnt nicht erst jetzt, an seinem "Dienstherrn"- so bezeichnet er nicht ohne Sarkasmus das nationalsozialistische Regime - zu zweifeln und bringt sich nicht nur durch entsprechende Aussagen mehrfach in Schwierigkeiten. Veit ist unser Auge, er ist derjenige, durch den der Leser die Welt - die im Roman dargestellte - betrachtet.

Mondsee wird zum Mikrokosmos, in dem unterschiedliche Gesinnungen, ja verschiedene Welten, aufeinanderprallen. Der eigentlich idyllische Ort wird von den Schrecken des Krieges und allem, was dieser mit sich bringt, eingeholt - so finden auch Schicksale von Menschen andernorts in Briefform Eingang in die Geschichte, beispielsweise das eines Juden, der mit seiner Familie auf der Suche nach einem Fluchtweg aus Wien ausgerechnet nach Budapest reist, wo er erkennen muss, dass die Nazis ihm einen Schritt voraus sind.

Arno Geiger stellt mit diesem Roman seine Leser vor eine Herausforderung: sein Erzählstil ist sehr speziell, doch wenn man einmal hineingefunden hat, dann erscheint er als der einzig Richtige, um die Situation darzustellen. Ein besonderer Roman auf jeden Fall, auch ein schmerzhafter, dieses Werk, das das (Über)Leben, das Alltägliche im letzten vollständigen Kriegsjahr beschreibt. Und dem Rezipienten deutlich macht, was für ein Glück es ist, im "Danach" geboren zu sein und zu leben. Ein Glück, mit dem man achtsam umgehen sollte.

Ich kann nur empfehlen, diese Herausforderung anzunehmen: dieses Buch ist ein besonderes Geschenk an die Leser - eines, das tatsächlich neue Welten - in diesem Fall neue Sichtweisen, Perspektiven, auch Einsichten - aufzeigt und dazu beiträgt, das Bewusstsein zu erweitern. Man muss es nur zu nehmen - vielmehr zu lesen - wissen. Dann könnte es ein Roman fürs Leben werden.
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